DIE PERLE
Ein kleines Mädchen, das von allen ausgenutzt und verstoßen wurde, lief traurig von zu Hause weg. Es lief und lief, bis es zu einem großen See kam. Dort setzte es sich müde, verlassen und hungrig hin und weinte bitterlich.
Plötzlich sah das Mädchen auf dem Grund des klaren Wassers etwas, das funkelte und blitzte. Neugierig und mutig sprang es in das tiefe Wasser, um den Schatz ans Land zu holen. Das Mädchen tauchte und fasste eine Muschel. Mit geübter Hand brach es sie vorsichtig auf. Vor ihm lag ein Wunder: Eine schöne Perle, die wie ein Tautropfen in allen Regenbogenfarben schimmerte.
Das Mädchen staunte und wusste, dass es etwas gefunden hatte, das einmalig und unbezahlbar war.
Die kostbare Perle, die in der Hand des Mädchens ruhte, strahlte und sagte leise: „Sei nicht traurig! Hör zu, ich will Dir meine Geschichte erzählen:
Eines Morgens stürzte ich als Tautropfen kopfüber ins Meer. Von den Wellen wurde ich mitgerissen. Verzweifelt versuchte ich mich zu retten. Da hörte ich eine Stimme: „Komm in mein Haus!“ Blindlings folgte ich dem rettenden Ruf. Hinter mir schlossen sich die Schalen einer Muschel. Zuerst atmete ich dankbar auf, doch dann begriff ich, dass ich eingesperrt war, ich wehrte mich und jammerte: „Nun werde ich wohl nie mehr im Licht der Sonne in allen Regenbogenfarben leuchten.“
Da sagte die weise Muschel: „Auflehnung und Trotz machen ohnmächtig und zerstören. Nimm Dein Schicksal geduldig an, dann wird es Dir leichter ums Herz. Von innen her wirst Du dann immer fester, und eines Tages bist Du ein kostbarer Schatz, eine wertvolle Perle. Wer Dich findet, wird glücklich sein.“
Ich seufzte, weil ich das nicht so richtig verstehen konnte, aber von nun an lebte ich still und zufrieden.
Ich spüre, dass etwas in mir wuchs und wuchs, was mich stark machte und mir viel Kraft gab. Aus Leid und Schmerz bin ich geworden, was ich bin, ein Wunder in Deiner Hand.“
Das Mädchen hatte gut zugehört und ging getröstet nach Hause. Und immer, wenn es ihm gar schwer ums Herz war, wenn es viel leiden und verkraften musste, dann schaute es auf die kostbare Perle und spürte, wie in ihm die Kraft wuchs und es stark machte.
(Verfasser unbekannt)